Ja, ich liebe den Kit Kat Club, aber ich liebe auch den Kit Kat Klub (mit „K“). Der erste ist der Sündenbabel des heutigen Berlin, der zweite der Sündenbabel des Berlin im Jahre 1931 und Wirkungsstätte von Liza Minelli und Sally Bowles. (was im Grunde genommen das Gleiche ist).
Wenn man heutzutage in den Kit Kat Klub geht, landet man im Normalfall im Tipi am Kanzleramt, wo das Musical Jahr für Jahr wiederaufgeführt wird.
Und leider wird es Jahr für Jahr wichtiger, dass das Musical aufgeführt wird, denn die politische Situation macht es jedes Jahr wichtiger, dass Menschen mitbekommen was passieren kann, wenn Ausgrenzung zu einem politischen Stilmittel wird und Rassismus von mehr und mehr Menschen als potenzielle Möglichkeit angesehen wird.
Vermutlich würde heute ein Fernsehsender massenweise empörte Emails erhalten, wenn sie Cabaret einfach aufführen.
Cabaret ist so schön und so traurig gleichzeitig, ich liebe den ersten Teil zur Pause und habe eine Hassliebe zum zweiten Teil. Manchmal möchte ich den zweiten Teil gar nicht sehen, weil er mich zu sehr aufwühlt. Gänsehaut vor Trauer und immer wieder toll gespielt.
Ich wünschte mir, es bräuchte dieses Musical wieder nur mehr als Mahnung zur Vergangenheit, wie es das Tipi wohl bei der ersten Saison gedacht hat. Leider befürchte ich, es wird noch benötigt.
In der Regel durch irgendwelche Beteiligung von Sheila war ich mittlerweile schon wirklich oft im Tipi, dem großartigen Zelt am Kanzleramt. Ich habe dort schon viele tolle Shows wie beispielsweise die Briefs gesehen und andere Veranstaltungen, die mich nicht immer vollkommen vom Hocker gehauen hatten. Immer allerdings liebe ich den Veranstaltungsort.
Als ich nun neulich erfuhr, dass Cabaret mal wieder aufgeführt würde – und als Sheila dann wiederum erfuhr, dass ich wohl die einzige Person in Berlin sei, die dieses noch nicht gesehen haben, führte es zu einer Karte zur Wieder-Premiere.
Erstaunlich voll war es im Tipi, obwohl doch an dem Abend die Deutsche Nationalmannschaft gegen – Algerien gleiche ich – im Viertelfinale antrat und aufgrund der Fanmeile der Weg absolut nicht frei von Strassensperren war und der Parkplatz-Platz in der Nähe auf – 0 – geschrumpft war. Ich parkte dann etwa 15-20 Minuten Fußläufig vom Tipi entfernt, dennoch sollte sich dieser Fußweg lohnen, denn ich wurde mit einem tollen Stück entlohnt. Mit eben oben genannten Cabaret.
Nun war ich nicht nur der vermutlich einzige Mensch auf der Premiere, der das Stück noch nie im Tipi gesehen hatte, ich war auch der einzige Mensch auf der Premiere, der Cabaret ÜBERHAUPTNICHT kannte. Auch der doch sehr bekannte Film ist vollständig an mir vorbeigegangen – und somit auch die Story. Einzug drei Lieder kannte ich.
Und mit dem ersten ging es gleich los mit einem großartigen Confroncierge, der durch das Stück führte und uns in das Berlin der 30er Jahre, in einen sündigen Cabaret Club namens Kit Kat Club – Na sowas aber auch – irgendwoher kenne ich den Namen doch.
In eine Welt mit Schmuggel, mit Stripperinnen, Transen, Frivolität, Menschen die in Berlin eigentlich ein Projekt durchführen wollen (wie beispielsweise ein Buch schreiben) und dann in den Strudel der Nacht eintauchen, in Beziehungen und problematische Beziehungen, in Wohnungsnot und Arbeitsnot, in eine Welt mit Alkohol und kurzfristigen Liebschaften – und mit Politik.
Klingt wie heute, klar. Ist es aber nicht, es ist das Berlin anfang der 30er Jahre, in denen Homosexualität ein Problem darstellt und ein Jude zu sein erst Recht und somit die Politik ebenfalls eine deutlich andere ist.
So erzählt der erste Teil von Cabaret wie der amerikanische Autor Cliff Bradshaw in den Strudel von Berlins Nachtwelt eingesogen wird im Kit Kat Club und eine Beziehung zum Showgirl Sally Bowles eingeht. Ein schnelles, heiteres Stück, mit Liebe am Leben.
Im zweiten Teil wird es dann düster seine Vermieterin Fräulein Schneider verliebt sich in den Ladenbesitzer Herrn Schultz einem in Deutschland geborenen Juden. Und dieses bei den dunklen Wolken, die über Berlin und Deutschland aufziehen mit der hässlichen Fratze des Nationalsozialismus.
Mich hat das Stück ab den ersten Tönen des großartigen Conférencier begeistert und das Spiel von Fräulein Schneider war großartig, mit einfachen Mitteln schaffte es das Tipi, großartige Bilder zu zeigen und mir mehrfach Gänsehaut auf die Haut zu zaubern. Im ersten Teil saß ich zumeist mit einem Dauergrinsen da, im zweiten Teil mit einem offenen Mund. Ein tolles Stück und ich werde es sicher nicht zum letzten Mal gesehen haben.
Nur das Gegröhle der Fanmeile im Hintergrund störte etwas, aber da kann man dem Tipi ja nun wirklich keinen Vorwurf machen