Sheilas Vaudeville Variety im Wintergarten ist halt das beste, was so an Varieté auf Berlins Bühnen stattfindet. Immer ein bis drei internationale Stars und tolle weitere Nummern. In diesem Jahr kamen vor allem Raquel Reed und Dirty Martini.
Da ich derzeit in Darmstadt beschäftigt bin und mich Sonntags Nachmittags bereits wieder auf den Weg nach Frankfurt machen muss, muss ich leider den eigentlich präferierten Samstag sausen lassen und stattdessen Freitag kommen. Alle anderen waren Samstag da, daher führte es mich leider gänzlich alleine in den Wintergarten.
Naja, so ganz alleine war ich an meinem Tisch natürlich nicht, da gab es noch die anderen Gäste, in diesem Fall ein Pärchen, dass mir gleich zum Anfang erklärte, sie seien von (irgendwo = ich glaube Paderborn wars) her und sie seien ein „Swingerpärchen“, die „für alles offen“ seien. Ähja…..
Leider muss ich sagen, dass sich mein visuell generell mögliches Interesse, ziemlich schnell gen Null entwickelte, denn die beiden nörgelten in einer Tour durch. Über Nummer die ihnen nicht gefielen, über zu dicke Performer über den oft englisch sprechenden Host und was weiss ich noch alles. Keine Ahnung, was sie von dieser Show erwartet haben, aber ganz offensichtlich etwas sehr anderes.
Da mein Blog seit fast zwei Jahren aus technischen Gründen tot war und ich diesen Beitrag mehr als zwei Monate später schreibe, weiss ich leider ansonsten von der Veranstaltung nicht mehr so viel. Ich merke aber deutlich, dass ich doch lieber wieder eine echte Kamera nutze. Handy reicht noch nicht aus.
Egal, ich weiss noch, dass mich Raquel Reed sehr überzeigte und begeisterte und dass ich Dirty Martinis Schwan Nummer natürlich schon kannte aber doch mal gerne wieder gesehen habe und dass mich Sven Ratzke, obwohl er natürlich ein begnadeter Sänger ist, als Host nicht wirklich begeistert, aber das ist ja rein subjektiv.
Auf jeden Fall war es schön, Lina wiedergetroffen zu haben um mit ihr danach noch in den frühen Samstag Morgen zu starten.
In diesem Fall meine Meinung zu den Glamouresque. Für jene, die sie nicht kennen, die Glamouresque sind eine Truppe von vier Friedrichstadtpalast Showgirls, die sich vor einigen Jahren entschieden haben, eine Burlesque Truppe zu werden.
Ich hatte die Glamouresque zwei Mal gesehen, damals im Horns & Hooves bei irgendeiner Party. Sie machten damals ihrem ersten Burlesque Auftritt als sie sich noch keinen Namen gemacht hatten und selber noch unter anderem Namen unterwegs waren. Der erste Auftritt haute mich – gelinde gesagt nicht von Hocker.
Längere Zeit später sah ich sie – nun unter ihrem Namen – im Ballhaus Berlin wieder. Dort mit ihrem ersten eigenen Programm. …Auch das haute mich nicht vom Hocker. Klar war, dass die Mädels alle Anlagen hatten, eine Top-Burlesque Truppe zu sein: Sie sehen Top aus, haben Beine bis zum Himmel und zurück, wissen sie und sich zu bewegen und haben Bühnen Erfahrung. Doch sie machten nicht viel draus. Zumindest nicht so viel, dass sie mich in irgendeiner Weise beeindruckt hätten.
Die Nummern hatten nicht spezielles, die Outfits einen „billigen“ Touch. Es waren halt hübsche Mädels, die sich auf der Bühne auszogen. Langweilig!
daher musste ich auch kurz überlegen, ob ich Lust hätte, an diesem Wochenende ins Ballhaus Berlin mitzukommen um Die Glamouresque anzuschauen. Gerade neulich hatte ich ja schon eine langweilige Burlesque Truppe dort gesehen. Man muss ja Fehler nicht mutwillig wiederholen.
Aber Sheila hatte sie in der Zwischenzeit noch einmal gesehen und sie gar zu ihrer Vaudeville Variety gebucht. Das tut sie in der Regel nur, wenn da was hinter steckt – es könnte also sein, dass sie sich entwickelt haben – und das wollte ich mir dann doch mal anschauen.
Und: Ja, sie haben sich entwickelt und sind wirklich gut geworden.
Ihre Nummern haben jetzt Geschichten, sie haben Witz, die Mädels nehmen sich selber nicht bierernst und sie spielen mit dem Publikum und ihre Showgirlausbildungen jetzt vollständig aus. Sie tanzen auf ihren High Heels wie auf Ballerinas, Sie tanzen auf Ballettschuhen wie Ballerinas – die sie ja auch sind. Zudem werfen sie ihre Beine durch die Luft und sehen natürlich immer noch klasse aus. Selbst die Outfits waren jetzt klasse und top aufeinander abgestimmt.
Schon nach der zweiten Nummer war ich mir mit mir selber einig, dass ich meine Meinung über die Glamouresque ändern könnte und sie nun gut finde.
Es ist natürlich auch irgendwie logisch. Als Friedrichstadt Palast Showgirls macht man vermutlich genau das, was einem andere einem sagen. Ohne nachzudenken, ohne infrage stellen, vollkommen ohne eigene Kreativität und vor allem ohne an irgendwelchen Nummern herumzudoktern. Showgirlroboter eben.
Und wenn man sich nie eigene Nummern ausdenken muss, sie nie weiterentwickeln muss, sich nie eigene Outfits gestalten muss, dann kann man es – trotz bester Anlagen – eben nicht. Man hat es eben nie gelernt. Letztendlich sind die guten Burlesque Tänzerinnen auch nicht vom Himmel gefallen sondern haben sich entwickelt. Von Nummer zu Nummer zu Nummer – und selten waren die ersten die besten.
Letztendlich waren die beiden Auftritte, die ich gesehen hatte auch nicht viel mehr als die Graduations Night vom Schönheitstanz Studio – nur eben ohne die (Burlesque)-Anleitung von Lady Lou und dem etwas zu hohen Ziel, gleich ein abendfüllendes Programm auf die Bühne zu bringen… Das konnte ja nur schiefgehen.
Das haben die Mädels wohl erkannt und – Profis wie sie sicher sind – hart an sich und den Nummern gearbeitet. Nicht nur in Moderation und den Nummern selber sondern auch in etwas, was ich so bei Burlesque noch nie gesehen habe. Viele Nummern hatten sozusagen einen Abspann.
Normalerweise kennt man das aus der Burlesque. Nummer – Tasseln – Fertig – verbeugen und runter von der Bühne, die Glamouresque haben es geschafft, dass hinter der Nummer und dem Applaus, oft die Nummer noch einmal in irgendeiner Weise weitergeht, und die Mädels so die Bühne nicht einfach so verlassen – Klar, wenn ich drüber nachdenke, passiert sowas im Friedrichstadt Palast auch – auf kleiner Bühne habe ich das aber noch nie gesehen. TOP!
Zudem gibt es einige Nummer, in denen das Publikum in unterschiedlicher Weise eingebunden wird. Von der Banane abbeissen, als Flugzeugpassagiere fungieren ihre Getränke austrinken lassen oder z.B. wie in diesem Fall als Schüler von der heissen Lehrerin unanständig angemacht zu werden 😉 Wer bei den Glamouresque in der ersten Reihe sitzt, dem kann schon mal passieren, ein Showgirl auf dem Schoß sitzen zu haben. Nicht das schlimmste, was einem in einer ersten Reihe passieren kann.
Sie können aber auch ganz traditionell wie hier im Andrew Sisters Army Look
Host des Abends Mademoiselle Lola
Auch wenn sie alle gut waren, hat mich persönlich Rose Noir am meisten begeistert, und das lag nicht daran, dass ihre Beine noch eine ganze Ecke länger als die ihrer Kolleginnen sind sondern an ihrer Bühnenpräsenz. Sie hat eine tolle Mimik und es scheint so, als habe sie einfach richtig viel Spaß an dem was sie da macht. Klar, das zu suggerieren ist das täglich Brot eines Bühnenprofis, aber ich glaube, das muss echt sein.
Glaube ich, dass sie ein echter Sonneschein ist: Ja
Hab ich mehr Anzeichen daran als ihre Bühnenpräsenz: Nein
Tara D’arson stand ihr in kaum etwas nach und sie hatte die Nummer, die mich am meisten begeisterte. Eine Nummer, die wohl für die Glamouresque steht, wie keine andere. Wie sagte Mademoiselle Lola „We are Ballerinas. Our parents were so proud – and then came Sex, Drugs and Berlin“. In Taras Nummer dargestellt durch eine Tüte Chips 🙂
Aus den Balettschuhen wurden High Heels, die Outfit knapp und anstatt in der legendären 32 Girls Friedrichstadt Kickline nicht aufzufallen nun nur noch zu viert mit eigenen Nummern. Es mögen noch viele Nummern hinzukommen.
Wie gesagt, ich habe meine Meinung vollständig gewechselt. Die Glamouresque haben sich zu einer klasse Burlesquetruppe entwickelt, die zu besuchen sich heute wirklich lohnt. Sollten sie in der Stadt sein, geht hin, es lohnt sich.