Das kann doch alles nicht wahr sein.
Man schüttelt den Kopf, wenn man die Nachrichten aus dem Osten, aus Russland, der Ukraine oder auch Polen hinsichtlich der Rechte von Homosexuellen und Transgender liest, aber auch in Deutschland fühlen sich offensichtlich viele Gegner gestärkt.
Ich konnte gerade nicht glauben, was ich in der Zeitung über den CSD in Rostock las, der jetzt in Gefahr sei. Das ist so unglaublich, dass ich es für einen Aprilscherz halte.
„Auch ein Vermummungsverbot wurde den Teilnehmern von der Stadt auferlegt. „Das schreibt vor, dass sich niemand so verkleiden darf, dass sein Geschlecht nicht mehr zu erkennen ist.“ Für die Organisatoren ist diese Forderung besonders absurd. „Schließlich geht es doch darum, dass Homosexuelle an diesem Tag möglichst bunt auf sich aufmerksam machen. Schrille Verkleidungen und Drag Queens gehören einfach dazu“, sagt Luther.“
Das kann doch nicht wahr sein, sind sie durch die „erfolge“ im Osten so gestärkt, dass sie es in Deutschland jetzt auch versuchen? Gerade Rostock sollte aus seiner Vergangenheit gelernt haben. Ein Vermummungsverbot für Drag Queens bei einem CSD? Haben die Rostocker den Schuss nicht gehört. Drag Queens sind gehören nicht nur „einfach dazu“. Sie sind ein elementarer Teil, der zu den CSDs dieser Welt geführt hat.
Klar, es gibt unterschiedliche Geschichten zu den Stonewall Riots vor 44, aber dass ein großer Anlass eine Razzia war, die neben Homosexuelle eben gegen Transgender gerichtet war, ist unbestreitbar. Das Gesetzt sagte damals, man müsse mindestens drei Kleidungsstücke tragen, die das Geschlecht der tragenden Person eindeutig kennzeichnet. Das führte wiederum dazu, dass die Transgender, die Drags, die Tunten verhaftet wurden und sich erstmalig wirklich wehrten
Nicht nur sie, aber sie waren, die, die gegen ein Gesetzt verstießen, währen die ganz „normalen“ Homosexuellen in der Bar „relativ“ unbehelligt blieben, sodenn sie sich ausweisen konnten. Diese Diskriminierung führte zu Stonewall und im Jahr darauf zur ersten Gaypride (in Deutschland CSD)
Und wer bis heute nicht weiß, was am CSD gefeiert wird, mag hier noch einmal nachlesen:
Die letzten Jahre haben eine große Schere aufgetan, was die Rechte der gesamten queeren Community – besser wohl den Communities – angeht. Während einige Länder große Fortschritte gemacht haben haben andere Länder das Rad in Richtung Steinzeit zurückgedreht. In Europa pendelte sich Russland da gerade extrem in die falsche Richtung – welche man lange überwunden geglaubt hat. Zeit für einen politischen CSD.
Der Berliner CSD stand daher auch unter einem politischen Motto, das offiziell „Schluss mit Sonntagsreden“ hiess. Inoffiziell war das Motto aber eher „Mit Verlaub Herr Putin, sie sind ein Arschloch“ und der Berliner CSD war ein großes Statement zur Situation in Russland. Als erster LKW führ ein russischer LKW, der GMF Wagen widmete sich ganz Ivan dem Schrecklichen Herrn Putin, man sah massig Plakate, Parolen und Banner gegen die Situation ins Russland und hörte allenthalben Sprachen, die eher dem Ostblock zuzurechnen waren.
Berlin dürfte wohl mittlerweile der östlichste CSD sein, der eine gewisse Größe UND Sicherheit bietet. Und er schallt mit Sicherheit gen Osten wie früher Rias. Wird es Putin interessieren, nein selbstverständlich nicht. Wird es östliche Besucher interessieren, Ja, selbstverständlich, wird es queere Personen in den Ländern interessieren, ich denke schon. Der Berliner CSD zeigt, dass die Rad-zurückdreh-Aktionen nicht gottgegeben sind, sondern, dass es auch anders geht. Hier kann man offen auf einem CSD unterwegs sein – und man kann sogar feiern und die Menschen drumherum feiern mit. Der CSD feiert 44 Jahre Stonewall, viel erreichtes und demonstriert gegen all die negativen Tendenzen.
Und, ich gebe zu, ich hatte es als nicht betroffener nicht so wirklich auf dem Schirm, dass auch in Deutschland selbst in Berlin in Sachen Akzeptanz nicht alles Gold ist, was auf dem CSD glänzt. Das macht betroffen und alles zusammen bedeutet nur: der CSD ist so wichtig wie immer, vermutlich noch viel wichtiger als in den letzten 5-10 Jahren. Also lasst uns demonstrieren und feiern… und bei beidem bin ich mit vollem Herz dabei.
Kommen wir also zur feierei… Dafür hab ich ja Wochen lang geklebt, statt mir an einem Tag ein Spruchbanner zu basteln. Wenn man feiern will, dann will ich auch glänzen. Ich könnte nun hochtrabend sagen, „mit meinen Kostüm wollte ich gemäß dem Motto der Politik den Spiegel vorhalten“ aber weit gefehlt, ich wollte einfach blendend aussehen und das hat geklappt, es war ein sonniger Tag und ich reflektierte hervorragend die Sonnenstrahlen und sah meine reflektierten Sonnenstrahlen an Passanten und Häusern an der Strecke.
Nicht so richtig auf dem Schirm hatte ich das Gewicht des Kleides. Es ging so weit, dass ich meine Nachbarin um Nachbarschaftshilfe beim Anziehen bitten musste. Hochhalten und gleichzeitig zumachen… fast unmöglich. Egal, sie half mir und ich konnte mich vorsichtig ins Auto hieven… merkte dabei aber schon, dass das eine schwierige Kiste wird. Sicherheitshalber parkte ich daher mein Auto etwa auf halber Strecke und fuhr per Taxi zum Startpunkt.
Wie nicht anders zu erwarten, befand sich da zu dem Zeitpunkt auch schon Tatjana Taft in ihrem Medusa Outfit…. Hmmmm dem aufmerksamen CSD Besucher wie mir, kommt das doch arg bekannt vor… Okay, sie klärte mich auf. Das eigentliche Kostüm sei noch nicht fertig und dieses hätte sie in Berlin noch nie getragen. Oh, das eigentliche Kostüm ist noch nicht fertig? Dass so etwas auch Profis wie Tatjana passiert. Stimmt einen ja fast etwas glücklich.
Mittlerweile weiß ich auch, dass sie Spiegel auch mal in einer Kostümidee hatte, es aber dem Gewicht wegen verworfen hat… Sie war also klüger als ich … und ich musste damit leben. Erst klappte alles noch ganz gut, ich kam gut an, spielte mit meiner Discokugel und interessierte genug Fotografen. Kostüm kommt an. Haken dran.
Mit weiterer Strecke zeigte sich aber das Kostüm + Peeptoes keine gute Idee war. Wenn sich einmal die ersten beiden Zehen in den Peeptoeschlitz drücken, kann man sie eigentlich nur noch amputieren, so schmerzt es… Beim gehen geht es gerade noch, aber der Zug stoppte oft und laaange und stehen geht dann gar nicht… Hinsetzen? Mit dem Kleid keine gute Idee, also Schmerzen ertragen und hoffen, dass der Zug bald weiterfährt.
Immer wieder erstaunlich, wie man ein genervtes und von Schmerzen gezeichnetes kurzfristig zum Grinsen bringen kann, wenn eine Fotokamera das schafft. Geübt eben. So schaffte ich noch den immer großartigen Bereich rund um den Nollendorfplatz und das Goya, mit dem festen wissen, bald steht da mein Auto und ich kann wechseln.
Als ich fast mein Auto erreicht hatte, bat mich Daphne AKA Daphne Maria Mater d’Or noch zu einem obligatorischen Foto, dass ich allerdings nur noch sehr gequält hinter mich bringen konnte, ein echtes Lächeln war erst wieder möglich, als ich mich der Schuhe entledigt hatte – und auch meine Kleid…. Etwas ernüchternd, wenn einem mit dem Zweitkleid, dass man mal eben gekauft hat genauso viele Menschen sagen, wie toll das ist, wie beim anderen Kleid, an dem man Monatelang (naja zumindest wochenlang) gebastelt hat.
Aber egal, ab nun war ich privat und in zivil hier. Ich unterhielt mich gerade mit einem Fotografen über die Drags, als ich am Horizont die grünen Medusen näherkommen sah… und ich sag noch „Gleich kriege ich Ärger, weil ich die Schuhe ausgezogen habe“ … Tatjana kam näher und es kam so. ich solle gefälligst im Blog auch schreiben, dass ich die Schuhe gewechselt habe und nicht nur, dass sie ein Kostüm recycled hat… …Nach vielen Jahren CSDs wissen wir beide scheinbar, was jeweils von der anderen Person zu erwarten ist 🙂 Okay, ich schrieb beides… Ja, ich habe zum ersten Mal einen CSD abgebrochen und ich werde nicht noch einmal Peeptoes tragen.
Als ich dann da so rumstand und fotografierte, kamen auch Diana, Sheila und Janka vorbei, die leider viel länger brauchten, als geplant und so erst sehr spät in den Zug einstiegen. Ich wollte eigentlich dort wieder einsteigen, aber ein Versuch mit meinen Schuhen zeigte mir, dass ich mir das vollkommen abschminken kann, also blieb ich und fotografierte weiter.
Unter anderem kam mir dabei auch Jessica Spirit vor die Linse – und ich erkannte sie nicht. Dabei gehörte sie in meinen Anfangstagen zu meinen absoluten Idolen, wie ein Blogbeitrag aus 2006 !!! beweist, den ich schrieb, nachdem ich tatsächlich von Sheila ( ja genau DIE Sheila ) als Idol bezeichnet wurde… Das ist 7 Jahre her. Erstaunlich, früher Idol, heuer hab ich Jessica nicht einmal erkannt. So kann es kommen. Ein Paar Worte hätte ich aber schon gerne gewechselt. Naja, kommt Zeit, kommt Rad.
Ich auf jeden Fall fuhr nach Hause und begrüsste den an meinem Haus vorbeilaufenden TCSD mit Festbeflaggung. Und da ich gerade keine Regenbogenflagge zur Hand hatte, recycelte ich eben auch noch ein altes CSD Outfit kurzfristig und hängte meinen Regenbogen-Zönix aus dem Fenster, bevor ich zu Sheila zum Grillen fuhr um den CSD Tag wunderbar ausklingen zu lassen.
Ich habe gerade ein interessantes Zitat im Internet gefunden. Es stand in einem kleinen Interview zur Europride in Zürich und war im Zusammenhang mit dem Jubiläum 40 Jahre Stonewall in diesem Jahr gemeint.
Fühlt ihr euch von den Medien ernst genommen?
Dahinden: Mich regt es jedes Mal auf, wenn in Medienberichten über die alljährliche Parade am Christopher Street Day nur Paradiesvögel abgebildet werden, Schwule im Fummel und Boa, immer dieses Klischee. Anderseits hat Katrin Küchler, die die Lesbenorganisation Schweiz mitgegründet hat, kürzlich an einer Podiumsdiskussion über StoneÂÂwall etwas Bedenkenswertes gesagt: Vergesst nicht, die Bewegung begann genau mit denen, die nicht anders konnten als aufzufallen. Die mussten kämpfen, die anderen konnten mehr oder weniger unsichtbar leben.
Interessant, so habe ich das noch nie gesehen, aber eigentlich stimmt es ja. Kann man sich ja mal merken, wenn die üblichen Kommentare zu den CSDs kommen, dass eben wieder die Klischees abgelichtet werden.
Stonewall – Jeder Leser hier kann wohl mit dem Begriff etwas anfangen. Denjenigen unwissenden, denen dieses Stichwort keine Eingebung bringt, den sei gesagt, dass das Stonewall Inn jene Bar in der Christopher Street war, in der sich am 28. Juni 1969 erstmalig in größerem Stile Widerstand von Schwulen, Lesben und Transen gegen Repressalien und Polizeirazzien formierte. Das ganze gipfelte in den mehrtägigen Stonewall-Aufständen und wird gemeinhin als ein Wendepunkt in der Anerkennung der Schwulenbewegung angesehen.
Genau ein Jahr später fanden dann die ersten Gay Pride Umzüge in New York und anderen Städten statt, die in Deutschland eher als Christopher Street Day bekannt sind.
Nun gibt es massenweise verschiedene Geschichten darüber, was damals wirklich abgelaufen ist und wer sich dort tatsächlich als ersts aufgelehnt hat. Die Schwulen proklamieren das genauso für sich, wie die Drags oder die Lesben…. aber eigentlich ist es ja nicht wirklich wichtig, ist es doch wichtiger, dass Stonewall doch offensichtlich einiges bewirkt hat.
Mit Stonewall 69 – Don`t feel comfortable gibt es nun seit einiger Zeit ein Musical, dass genau diese Geschichte erzählt. Dave und Michael ertränken ihre Trauer über den Tod von Judy Garland in Alkohol und sitzen mit der Kampflesbe Al und der alternden Transe „¾Drag Queen“ im Stonewall, als Chief Detective Pine und seine Polizisten die Bar aufmischen.
Dazu schlägt der Mephisto-Artige Erzähler mit dem Namen „Zeitgeist“ immer wieder Brücken von damals zur heutigen Situation. Es fließt Blut und es ist ein tragisches Stück aber es soll am Ende doch schön sein.
Immerhin mehrere Monate haben die Macher dieses Musicals recherchiert und es darf wohl zu hoffen sein, dass sie neben den ganzen Geschichten auch die richtige erfahren haben und diese möglichst wirklichkeitsgetreu auf die Bühne gebracht haben. Doch leider reicht originalgetreu nicht immer, wenn es dann dröge und langweilig wird.
Zumindest bei der Vorstellung am 16.01. Mai gab es dazu wohl unterschiedliche Meinungen, denn neben Erfolg gab es auch folgende Kritik:
Warum tanzen Schwule und Lesben in den Sommermonaten auf schrillen Paraden durch die Straßen? Dieses Musical will Antworten geben und dem Publikum die Geschichte der Homosexuellen-Bewegung näher bringen. Ein lobenswerter Ansatz, der allerdings in die Hose geht. (Text: Kai Wulfes)
Aber egal ob die Geschichte nun 100%ig wahr wiedergegeben ist oder nicht, ob sie gut erzählt, Klischeehaft oder dröge ist, sie ist auf jeden Fall eine Geschichte die erzählt werden sollte und die man sich mal ansehen sollte.
Sozusagen BildungsfernsehenMusical
Sollte das Musical mal wieder in Berlin gespielt werden, werde ich es mir wohl ansehen.